Sieht man ihr Lächeln und ihren überschwänglichen Tanzstil, würde man nie erraten, wie sehr Anima Mukherjee in den letzten 15 Jahren gelitten hat.
Als sie 14 Jahre alt war, traten Hautveränderungen in ihrem Gesicht auf und es wurde bei ihr Lepra diagnostiziert. Kurz darauf identifizierte man die Krankheit auch bei ihrem Vater. Ihre Mutter war dem damit verbundenen sozialen Stigma nicht gewachsen und verliess Ehemann und Tochter. Nach der ersten Behandlung im Spital kam Anima in die Chitpur-Klinik, wo sie weiter betreut wurde.

Ein Jahr später, mit 15 Jahren, wurde Anima mit einem 35-jährigen Motorikscha-Fahrer verheiratet. Nach fünf Jahren starb ihr Mann an Tuberkulose und liess sie mit drei kleinen Kindern zurück. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als auf der Strasse zu betteln, während ihre Schwiegereltern sich um ihre Kinder kümmerten.
Innert einiger Monate war Anima erneut verheiratet, mit einem Arbeitslosen. Als dieser herausfand, dass sie Lepra hatte, begann er sie zu schlagen und betrog sie. Ihre neue Schwiegermutter verbrühte sie deswegen mit kochendem Öl. Schliesslich konnte Anima fliehen und nahm Zuflucht in einem Tempel. Die Familie ihres Mannes weigerte sich, ihr das Baby, das sie von ihm hatte, zu übergeben. Damit aber nicht genug. Jedes Mal, wenn ihr Mann sie auf der Strasse sah, griff er sie an. Sie hat eine Messernarbe auf einer Wange und eine andere an einem Bein. Anima meldete die Vorfälle bei der Polizei, aber diese unternahm nichts.

Während dieser Zeit besuchte Anima regelmässig die Chitpur-Klinik, wo sie nicht nur medizinisch versorgt und mental unterstützt wurde, sondern auch Nahrungsmittel mit hohem Nährwert erhielt. Diese teilte sie mit ihren drei Kindern aus erster Ehe, wann immer sie diese zu sehen bekam.
Als ob dies nicht der Sorgen genug wären, musste Anima miterleben, wie ihre einzige Schwester in den Sexhandel geriet und irgendwo im Bundesstaat Bihar verschwand. Sie weiss nicht, ob sie tot ist oder noch lebt.

Anima hat nun Arbeit gefunden, als Tänzerin in einer Bar, und verdient zwischen 40 und 55 CHF im Monat. Das reicht aber nicht, um sich und ihre Kinder durchzubringen, und so betteln diese zusätzlich auf der Strasse. Ihr Arbeitsort, wo sie auch wohnt, ist aber kein sicherer Platz. Tatsächlich wurde ihre Schwester aus einer ähnlichen Bar entführt.

Auf die Frage, welches ihre Hoffnungen für die Zukunft seien, sagt Anima nur, sie hätte gerne einen sicheren Ort zum Leben. Während all der Traumata in den letzten 15 Jahren war die Chitpur-Klinik ein wichtiges Element der Stabilität und ein Ort des Mitgefühls in ihrem Leben. Wenn man sie zusammen mit dem Personal und den anderen Patientinnen und Patienten sieht, wird klar, dass sie sich hier unter alten Freunden fühlt. Sie mag von ihren Angehörigen abgelehnt worden sein, aber sie weiss, dass sie niemals von den Menschen in der Klinik abgewiesen wird.

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